Wer kein Fan von Pu-Erh ist, wird sicher nicht über die Vor- und Nachteile des Alterns bei Tee viel nachdenken. Aber es gibt noch einen anderen Blickwinkel als die Lagerung, der das Verstreichen der Zeit für Teetrinker relevant macht. Nein, jetzt meine ich nicht die Ziehzeit, statt an den Tea Timer denke ich an Rosenkohl … oh je, ich sehe schon, wie meine Kolleginnen im Marketing die Augen verdrehen: mit Pu-Erh und Rosenkohl gleich zu Anfang zwei Stichworte, die Leser in die Flucht schlagen können!

Noch da? Super, dann kann ich mal auflösen, warum ich dieses minderbeliebte Gemüse genannt habe: viele Menschen, die als Kind ein bestimmtes Lebensmittel nicht essen mochten, stellen als Erwachsene fest, wie lecker das doch sein kann. Entwickeln vielleicht sogar Freude daran, mit der Zubereitung zu experimentieren. Ist das nicht total wunderbar, dass wir nicht stillstehen müssen, sondern uns weiterentwickeln können? 

Das hört auch nicht auf, wenn man erwachsen ist. Bis ich 42 Jahre alt war, habe ich einfach keine Sympathie für Pu-Erh Tee entwickeln können – doch nun ist er seit über elf Jahren ein absolutes Steckenpferd von mir. Als ich vor über 20 Jahren bei TeeGschwendner begonnen habe, waren Darjeeling First Flushs meine absoluten Lieblinge unter den Schwarztees – inzwischen trinke ich viel lieber dunklere Teesorten wie z.B. Second Flushs oder auch chinesische Schwarztees. Kennen Sie das auch? Haben Sie über die Jahre auch Ihre Favoriten gewechselt? 

Gute Gründe auf Tee-Entdeckungsreise zu gehen 

Falls nicht, gibt es gleich zwei gute Gründe, auf Entdeckungsreise durch die Teevielfalt zu gehen: 

1. Ganz profan: es gibt Ermüdungserscheinungen. Uns erreichen immer wieder Fragen, ob bei dieser oder jener Teemischung die Rezeptur geändert wurde – selbst wenn dies nicht der Fall war. 
   Ganz häufig liegt es daran, dass man nach etlichen Jahren Vanilletee sich so an die Geschmackintensität gewöhnt hat, dass sie irgendwann für das subjektive Empfinden nicht mehr genug „kickt“. Damit es gar nicht erst dazu kommt, ist es sehr hilfreich, nicht über Jahre hinweg immer dieselbe Teesorte zu trinken. Schenken Sie also gerne Ihrem Lieblingstee eine fairere Chance, indem Sie sich Abwechslung gönnen.
   
   
2. Tee gibt es seit Jahrtausenden, aber trotzdem finden wir immer wieder Neues zu entdecken. Wer von uns hat schon vor 30 Jahren erwartet, dass Neuseeland außer Schafen auch Tee kann? (und zwar so richtig gut!).
   Auch in traditionsreichen Teegärten in Darjeeling oder Assam gibt es experimentierfreudige Menschen, die neue Züchtungen von Teepflanzen verwenden oder mit der Verarbeitung der Blätter neue Wege gehen. Wäre es nicht wahnsinnig schade, wenn man sich diese Entdeckungen vorenthält? 
   
   

Mein Bart ist grau, der Scheitel kahl – eindeutig: ich verändere mich. Aber anders als bei japanischem Grüntee ist es bei uns Menschen: wir können besser werden mit den Jahren. Ein paar wenige Teesorten stehen zwar auch in dem Ruf, von Reifung zu profitieren (da haben wir ihn wieder: Pu-Erh), aber Best Ager in der Teewelt sind eher wir Teegenießer als die Blätter. 

Bleiben Sie neugierig – kaufen Sie lieber öfter kleine Mengen neuer Teesorten und beobachten Sie, wie sich die Teewelt entwickelt (Georgien schon probiert?) – und wie sich Ihre Wahrnehmung der Tees verändert. Ja, wir werden älter – zum Glück! Wir bekommen immer wieder neue Eindrücke: vom Tee, von Gemüsesorten, vom Leben. 

Natürlich trinken wir mal einen Tee, der uns nicht schmeckt – das passiert in der Teetasse wie im Rest des Lebens. Aber wie arm wären unsere Erfahrungen, wenn wir ihnen keine neuen Chancen geben? 

The older you get, the better it gets, honestly! 

Der Sänger meiner Lieblingsband New Model Army sagte bei einem Konzert im Intro zum Song Bad Old World „Speaking personally – the older you get, the better it gets, honestly!“ Danke Justin Sullivan – ganz ehrlich, ich will kein Teenager mehr sein. 

Im Marketing-Sprech werden „Best Ager“ als Zielgruppe definiert. Wer lässt sich schon gerne in eine Schublade einsortieren? Aber wenn „Best Ager“ diejenigen sind, die das Altern gerne annehmen und dabei offen bleiben für Neues, hüpfe ich gerne mit in diese Schublade. Kommen Sie dazu und lassen Sie sich überraschen, was ich Ihnen in die Teetasse schenke ;-)